Dynamische Katalysatoren arbeiten besser
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Hans-Jörg Munke
freier Journalist
Wer saubere Stadtluft will, muss Autoabgase vermeiden oder sie effizienter reinigen. Ein neues Konzept, das Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mit Partnern aus Forschung und Industrie entwickeln, könnte dabei helfen und teures Platin einsparen.
28. März 2018Das Edelmetall Platin findet nicht nur als Schmuck Verwendung. Aufgrund seiner guten katalytischen Eigenschaften wird es vor allem in Fahrzeugkatalysatoren eingesetzt – und langsam wird es knapp. „Wir stehen vor einem Ressourcenproblem, denn mehr als 50 Prozent des europäischen Platin-Handels gehen schon jetzt in den Markt der Abgaskatalyse, Tendenz steigend“, beschreibt Professor Jan-Dierk Grunwaldt vom Institut für Technische Chemie und Polymerchemie (ITCP) am KIT das Problem, denn die Anforderungen an die Reinigungsleistung von Katalysatoren werden immer höher und die Zahl der Autos nimmt zu. Für die Forscher geht es deshalb darum, das Platin im Katalysator effizienter zu nutzen.
„Mit der Zeit verringert sich die katalytische Wirksamkeit, da Platinnanopartikel auf der Oberfläche des Trägermaterials zusammenwachsen und nicht mehr gleichmäßig verteilt sind“, erklärt Grunwaldt. Durch die hohen Betriebstemperaturen von mehr als 500 Grad Celsius ballen sich die Edelmetallatome wie Wassertropfen zusammen oder diffundieren in den Festkörper hinein. Dann sind sie für die Prozessschritte der Abgasreinigung nicht mehr verfügbar, der Katalysator wird ineffizient und die Reinigungsleistung lässt nach.
Platinpartikel reagieren auf Abgaszusammensetzung
Die Wissenschaftler stellten am Beispiel eines Diesel-Oxidationskatalysators, in dem Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid nachverbrannt werden, fest, dass die Partikelgröße und der Oxidationszustand der Platinpartikel auf der Katalysatoroberfläche während des Betriebs gezielt verändert werden können. „Das Besondere ist, diesen Effekt unter realen Arbeitsbedingungen zu nutzen und die katalytischen Aktivität der Materialien direkt einzustellen“, sagt Andreas Gänzler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ITCP. Dabei spielt vor allem die Abgaszusammensetzung eine Rolle, denn darauf reagiert die Katalysatoroberfläche sehr sensibel.
Wird nämlich die Abgaszusammensetzung zum Beispiel kurzfristig pulsartig mit Kohlenwasserstoffen angereichert, bilden sich erneut kleine Platinpartikel an der Oberfläche, die dann wieder katalytisch aktiv sind. Die Reinigungsleistung steigt.
Neue Erkenntnisse dank Hightech-Analytik
Die Studie, die Jan-Dierk Grunwaldt „eines der großen Highlights in der Katalysatorforschung“ nennt, entstand innerhalb der deutsch-französischen Deufrako-Forschungskooperation im Zuge des Projekts „ORCA - Oxidations/Reduktions-Katalysator für Dieselfahrzeuge der nächsten Generation“, mit den Partnern vom Institut de Recherches sur la Catalyse et l’Environnement de Lyon (IRCELYON), der TU Darmstadt, des Chemieunternehmens Solvay und des Materialtechnologie- und Recyclingunternehmens Umicore AG & Co. KG, Standort Hanau.
Hierbei kamen anspruchsvolle Methoden zum Einsatz. Mit Hilfe der Elektronenmikroskopie ließen sich Strukturveränderungen auf atomarer Ebene des Materials visualisieren. „Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen die ausgeprägte Dynamik der Platinpartikel “, sagt Grunwaldt. Allerdings muss man bei der Elektronenmikroskopie im Millibar-Bereich arbeiten, also mit einem Tausendstel des Atmosphärendrucks. Das bleibt nicht ohne Einfluss auf das Verhalten der Materialien. Daher braucht es eine weitere Methode, um dem Katalysator direkt auf atomarer Ebene bei der Arbeit zuschauen zu können. „Das gelingt mit dem Einsatz von Röntgenstrahlung wie sie an modernen Synchrotron-Strahlungseinrichtungen bereitgestellt wird“, so Grunwaldt. Diese wurde genutzt um entsprechende röntgenabsorptionsspektroskopische Untersuchungen an der Synchrotron-Einrichtung SOLEIL im französischen St. Aubin, am Karlsruher Speicherring ANKA des KIT und am DESY in Hamburg an PETRA III durchzuführen. Dieses Verfahren gibt es zwar bereits zwanzig Jahre, die Qualität der Röntgenstrahlung, sowie die zeitliche Auflösung der Messungen entwickelte sich aber beständig weiter und ermöglichte damit immer tiefere Einblicke in die chemischen Abläufe auf der Katalysatoroberfläche.
Höhere Katalysator-Effizienz mit weniger Platin
Die Ergebnisse aus Elektronenmikroskopie und der spektroskopischen Untersuchungen konnten die Wissenschaftler erfolgreich zusammenführen und damit die atomaren Strukturen der Edelmetall-Nanopartikel analysieren – beste Voraussetzung für die nächsten Schritte: „Durch die Beobachtungen der Katalysatormaterialien unter realen Bedingungen lassen sich die Erkenntnisse schneller in die Anwendung übertragen“, betont Gänzler. So entstand ein vielversprechendes Konzept, um die Größe und Struktur der Platinpartikel abhängig von der benötigten Katalyse-Aktivität während des Betriebs gezielt zu steuern. In der Praxis wäre es damit möglich, die Katalysatorleistung beim Kaltstart von Verbrennungsmotoren und während Fahrten im Stadtverkehr, wenn die optimale Betriebstemperatur noch nicht erreicht ist, deutlich zu verbessern. „Dafür könnte bereits eine kurze Änderungen der Motorbetriebsweise reichen“, sagt Gänzler. Zusätzlich zu einer verbesserten Reinigungsleistung lasse sich der Edelmetallgehalt deutlich verringern.
Das Konzept der Reaktivierung der Edelmetallnanopartikel ist nicht beschränkt auf die Abgas-Katalyse im mobilen Bereich, so Grunwaldt. „Man kann sich dies auch für andere industriell genutzte Edelmetall-Katalysatoren vorstellen, etwa in stationären Anlagen wenn es darum geht, kurzfristig in Methan gespeicherten regenerativ erzeugten Strom zurückzugewinnen, oder in ganz anderen Bereichen der chemischen Industrie wie der Hydrierung oder Oxidation in feinchemischen Prozessen, wo ebenfalls Edelmetalle genutzt werden.“
Die Katalysator-Experten vom KIT wird das Thema auch zukünftig beschäftigen. „Jetzt wollen wir natürlich wissen, warum genau die gefundene Größe der Platinpartikel so wirkungsvoll ist. Zudem möchten wir diese Partikel dann auch stabilisieren. Die Effekte sind da, die Ergebnisse spannend, jetzt geht’s zum nächsten Schritt – das hört ja nicht auf“, resümiert Grunwaldt.